Brandschutz für Menschen mit Behinderung
Kampf gegen Stigmatisierung und um Verständlichkeit
„Menschen werden wohl mit einer Behinderung geboren, doch zu Behinderten werden sie erst später gemacht.“ (Prof. Dr. Georg Feuser 1980).
Menschen mit Behinderung sind durch Feuer und Rauch besonders gefährdet. Dies gilt sowohl für das Verhindern von Bränden als auch für die Selbstrettung im Brandfall. Aber: Es müssen nicht mehr Menschen mit Behinderung durch Feuer und Rauch sterben. Durch bessere Präventionsarbeit können Leben gerettet werden!
Es gibt etwa 8,6 Mio. anerkannte Menschen mit Behinderung nach der Schwerbehindertenstatistik. Und es werden immer mehr. Wir werden immer älter und bekommen immer weniger Kinder.
Integration und Inklusion werden immer wichtiger. Auch die Feuerwehren haben immer weniger Nachwuchs. Wir sollten also prüfen, wie wir Menschen mit besonderen Stärken und Schwächen, eben Menschen mit Behinderungen, in unserer sich verändernden Gesellschaft behandeln.
Menschen mit Hörschäden nehmen nicht nur ein Feuer (bzw. eine akustische Warnung) später wahr als andere, sie haben auch Probleme in der Kommunikation mit Feuerwehreinsatzkräften. Menschen mit geistiger Behinderung, die noch niemals einen Feuerwehrmann gesehen haben, haben Angst vor Feuerwehreinsatzkräften im Brandfall, sie könnten weglaufen oder versuchen sich zu verstecken und sterben. Menschen mit körperlicher Behinderung können sich häufig nicht selbst retten. Aber es gibt z.B. Rollstuhlfahrer, die kurze Strecken gehen können.
Auf Einsatzkräfte kommen bei diesem Personenkreis besondere Herausforderungen zu mit Reaktionen, die für ungeschultes Personal nicht vorhersehbar, geschweige denn rational erklärbar sind.
Unterschieden wird zwischen
- bedingt gehfähigen
- liegend transportierten
Personen sowie zwischen horizontaler und vertikaler Rettung. Häufig werden baulich mehrere brandschutztechnisch getrennte Bereiche auf einer Ebene geschaffen, die eine schnelle Brand- und Rauchausbreitung vermeiden sollen. Dann sollen die zu rettenden Personen aus einem gefährdeten Bereich zuerst horizontal - auf einer Ebene - in einen sicheren Bereich transportiert werden. Wenn das nicht (mehr) geht, müssen Personen vertikal - über Treppen oder ggf. besondere "Evakuierungsaufzüge" - gerettet werden.
Ein kurzer Überblick über verschiedene Rettungsmöglichkeiten:
Rollator/ Rollstuhl: Rettung mit einem Helfer ist nur in horizontaler Richtung möglich, sonst muss umgelagert werden.
Rettungsstuhl: Person muss umgelagert werden, ermöglicht dafür vertikale (und selbstverständlich horizontale) Rettung mit nur einem Helfer.
Betten: Verschieben der Betten ist in Pflegebereichen nur in horizontaler Richtung möglich, oft ist die Türbreite nicht ausreichend. Grundsätzlich wird von der Bettenrettung in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung/Pflegebedürftigkeit abgeraten, da uns von Brandfällen überwiegend negative Erfahrungen bekannt sind.
Rettungstuch: Person muss umgelagert werden, zum Tragen werden vier Helfer benötigt. Dafür können Menschen horizontal und vertikal gerettet sowie direkt dem Rettungsdienst übergeben werden.
Evakuierungstuch: Person bleibt im Bettzeug. Nur ein Helfer kann einen Menschen horizontal und vertikal retten.
Aus unserer Sicht sind die Probleme beim Brandschutz von Menschen mit Behinderung nicht durch mehr Bauvorschriften zu lösen.
Nein, wir müssen an der Wurzel anpacken und Hilfe geben, dass Menschen mit Behinderung in ihrem Umfeld sicher leben können! Hierbei sind Menschen mit Behinderung, das Personal der sozialen Dienste und die örtliche Feuerwehr einzubinden.
Gib einem Hungernden einen Fisch und er wird einen Tag lang satt. Gib ihm ein Netz und lehre ihn fischen, so wird er nie wieder hungern.
Bau eine Wohnung sicher für den Brandfall, baue 100.000 Wohnungen/ Einrichtungen sicher für den Brandfall. Leider ist das fehlinvestiertes Geld, wenn das richtige Verhalten im Brandfall nicht bekannt ist und keine Präventionsarbeit betrieben wird.
Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderungen genauso gut geschützt sind wie alle andere Menschen auch. Es geht eigentlich ganz einfach und jeder kann in seinem Umfeld anfangen:
- Einrichtungen sind häufig unsicher in Bezug auf die richtigen Vorbereitungen für einen Brandfall. Die Rettung von Menschen mit Behinderung im Brandfall sollten geplant sein und die notwendigen Mittel hierfür einsatzbereit vorliegen. Wenn es brennt, ist häufig nur eine Pflegerin/ein Pfleger vor Ort, die/der alarmieren und retten muss. Dementsprechend ist das Brandschutzkonzept einschließlich der richtigen Rettungsmittel auszurichten.
- Aufgrund der Dezentralisierung und des „persönlichen Budgets“ nach dem Sozialgesetzbuch IX leben Menschen mit Behinderung immer häufiger mitten unter uns in normalen Wohnungen. Jede Feuerwehrfrau und jeder Feuerwehrmann sollte daher zumindest die wichtigsten Grundzüge für den Einsatz kennen. Das ist allgemeine Einsatzvorbereitung, die künftig von allen Feuerwehren geleistet werden muss.
- Führen Sie Brandschutzaufklärung und Brandschutzunterweisungen bei Menschen mit Behinderung und dem Personal der sozialen Dienste durch.
- Akzeptieren Sie alle Menschen, auch Menschen mit Besonderheiten, und geben Sie diesen in ihrer Feuerwehr nach ihren Möglichkeiten ihren Platz! Denn wer in der Feuerwehr ist, kennt auch die Gefahren des Feuers und weiß sich richtig zu verhalten!
Der Schlüssel ist also mehr Brandschutzaufklärung gepaart mit gemeinsamer Einsatzvorbereitung (Mensch mit Behinderung + Personal der sozialen Dienst + Feuerwehr).